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Newsletter November 2023

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In dieser Ausgabe:

WICHTIGE NACHRICHTEN

  • SPD wünscht keine männlichen Journalisten bei Pressetermin – und  erntet Kritik

  • Tod bei Feuergefecht - Journalist an libanesisch-israelischer Grenze getötet

  • Slowakei: Wahlgewinner Robert Fico ist kein Medienfreund

  • Fake News in sozialen Medien: EU ermittelt erstmals gegen X

  • Springer-Chef Mathias Döpfner startet mit "Politico" in Deutschland durch

  • Framing in Italien schlägt fehl

VEJ Aktuell

  • Mitgliederversammlung und Weihnachtsessen

  • Rückblick: Mediendialog und EJ Kongress Nizza

Gastkommentar

  • Journalisten sind keine Aktivisten

Termine

Hammer des Quartals

  • ZDF-Clown Böhmermann als Exekutor der Bundesinnenministerin

 

EDITORIAL

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder, das Jahr neigt sich schon wieder dem Ende zu und es war journalistisch gesehen hoch spannend: die politische Landschaft in Deutschland ändert sich und auch der Journalismus ist einem steten Wandel unterworfen. Das Gespräch der Gesellschaft ist ruppiger und missionarischer geworden. Die Besserwisser, die der Welt vorschreiben wollen am deutschen Wesen zu genesen, haben sich breit gemacht. Man kann seine Meinung nicht mehr frei äußern. In Sachen Ukraine, Klima, Ernährung, Israel, um nur einige zu nennen, haben sich die Denk- und Sprechverbote manifestiert. Das abendländische Weltbild mit seinen Werten ist auf dem Rückzug.

Mir persönlich ist das bei der Vorbereitung unseres Mediendialogs besonders aufgefallen. Wir haben eine Vielzahl der Meinungsmacher zum Mitdiskutieren eingeladen: Regierungssprecher, Ministeriumssprecher, Chefredakteure, Medienanwälte, Intendantinnen und Politikerinnen der Grünen. Aber alle haben abgesagt. Keiner traute sich gegen drei profilierte, konservative Kritiker des Mediensystems anzutreten. Das Gespräch der Gesellschaft wird einseitiger. Die da oben und wir da unten ist die wahre Schere in unserer Gesellschaft; nicht die zwischen arm und reich, die so gerne gezeichnet wird.

Im christlichen Umfeld naht nun die stillere, besinnliche Adventszeit. Der Vorstand der VEJ freut sich auf eine stimmungsvolle Adventsfeier am 24. November, vor der wir turnusgemäß die Mitgliederversammlung durchführen.

Meine Vorstandsmitglieder und ich würden uns freuen, wenn wir Sie persönlich in München begrüßen dürften.

Herzliche Grüße Ihr Dr. Ralf Schneider Präsident der VEJ

 

WICHTIGE NACHRICHTEN

 

SPD wünscht keine männlichen Journalisten bei Pressetermin - und erntet Kritik

Bei einem Wahlkampftermin wünschte die hessische SPD, möglichst nur weibliche Medienvertreter zu begrüßen. Man finde es "thematisch stimmig", wenn die Presseplätze bei der rein weiblichen Bootsfahrt mit Frauen besetzt würden. Der Vorsitzende der hessischen Landespressekonferenz fand dafür drastische Worte. Eine geplante Wahlkampfveranstaltung in Hessen auf einem Schiff mit SPD-Spitzenpolitikerinnen und rund 200 weiteren Frauen sorgt für Wirbel, weil Männer möglichst nicht an Bord kommen sollten. Die hessische SPD schrieb in ihrer Einladung zu der Veranstaltung mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und drei Ministerpräsidentinnen: "Mit Blick auf die ausschließlich weiblichen Gäste der Schifffahrt fänden wir es thematisch stimmig, wenn auch die Presseplätze mit Frauen besetzt würden." Männliche Pressevertreter würden aber nicht abgewiesen. Der Vorsitzende der hessischen Landespressekonferenz (LPK), Ewald Hetrodt, sagte daraufhin dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Das ist nicht lustig, sondern ein Anschlag auf die Freiheit der Presse." An der einstündigen Schifffahrt auf dem Main nahmen neben Bundesinnenministerin Faeser auch die sozialdemokratischen Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz), Anke Rehlinger (Saarland) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) teil. Quelle: Die WELT
 

Tod bei Feuergefecht - Journalist an libanesisch-israelischer Grenze getötet

Bei einem Feuergefecht an der Grenze zwischen Israel und dem Südlibanon ist ein Journalist getötet worden. Mehrere weitere wurden verletzt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters mitteilt, handelt es sich bei dem Toten um ihren Videojournalisten Issam Abdallah. Ein Korrespondent der französischen Nachrichtenagentur AFP gibt an, dass sich eine Journalisten-Gruppe von mindestens drei verschiedenen Medien im Südlibanon aufgehalten habe. Unter den Verletzten befinden sich demnach zwei AFP-Journalisten sowie zwei Journalisten des katarischen Nachrichtensenders Al-Dschasira.
Die israelische Armee teilte mit, dass es an der Grenzbarriere zwischen beiden Staaten eine Explosion gegeben habe. Als Reaktion darauf sei israelisches Artilleriefeuer auf libanesisches Gebiet eröffnet worden. Bei den israelischen Bombardements wurden nach Angaben von AFP-Korrespondenten die Dörfer Dayra und Alma al-Dschaab getroffen.
Quelle: n-tv

Slowakei: Wahlgewinner Robert Fico ist kein Medienfreund

Die links-populistische Smer-Partei in der Slowakei hat in den zwei Monaten vor den vorgezogenen Neuwahlen, eine Welle an negativen Beiträgen gegen Journalisten in den sozialen Medien veröffentlicht. Nach Angaben des Investigative Center of Ján Kuciak veröffentlichte Smer, die Partei des ehemaligen Premierministers Robert Fico, im Vorfeld der Wahlen Anfang Oktober 174 Posts, die sich gegen Journalisten in den sozialen Medien richteten.

Die zweitgrößte Zahl negativer Posts gegen Journalisten stammt von der rechten Partei Republika, die 51 davon veröffentlichte.

Ficos Auseinandersetzungen mit Journalisten sind nicht neu, und er war sogar gezwungen, von seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident zurückzutreten, nachdem der Investigativjournalist Ján Kuciak und dessen Verlobte ermordet worden waren. Kuciak untersuchte zum Zeitpunkt seiner Ermordung die Korruption in Ficos Regierung und in seinem Umfeld.

Im Jahr 2022, als er in der Opposition war, erklärte Fico wiederholt, dass Journalisten "eine organisierte kriminelle Gruppe mit dem Ziel, die slowakische Staatlichkeit zu brechen" seien, und forderte die slowakische Polizei auf, gegen sie zu ermitteln. Dies heizte das Unbehagen in den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament (S&D) weiter an.

"Der Politiker mit den meisten Interaktionen auf Beiträgen, die Journalisten erwähnen, war Robert Fico. Seine Beiträge hatten 227.140 Interaktionen, was etwa ein Viertel aller Reaktionen ausmacht", so die Studie.

Zwei der beliebtesten Beiträge sind Videos, in denen er ausländische Journalisten von France 24 und der Deutschen Welle beschimpft. "Je mehr ausländische Journalisten ihr uns hinterherschickt, desto fester werden wir in unseren Positionen und Meinungen sein", schrieb Fico unter ein Video eines deutschen Journalisten, der ihn fragt, warum er russische Propaganda unterstützt.

Fico nutzte auch die Werbetools von Facebook, um seine Beiträge zu verstärken. Der Studie zufolge zahlte die Smer dafür, dass ihre auf Journalisten abzielenden Beiträge mehr als 1,5 Millionen Menschen angezeigt wurden. Insgesamt äußerten sich Politiker aller untersuchten Parteien in 64,3 Prozent der Beiträge negativ gegenüber Journalisten. Weitere 31,61 Prozent der Beiträge waren neutral, und nur 4 Prozent waren positiv.

Vor den Wahlen forderte die NGO Reporter ohne Grenzen die Parteien auf, die EU-Empfehlungen zum Schutz von Journalisten und zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen umzusetzen. Sechs Parteien reagierten auf diesen offenen Aufruf, aber Smer "antwortete auch nach wiederholten E-Mail-Anfragen nicht". Die NGO kritisierte auch, dass Smer den größten slowakischen Fernsehsender, Markíza, boykottiert.

Während einer Pressekonferenz nach seinem Wahlsieg änderte Fico seinen Ton deutlich und sagte, er wolle eine "normale und angenehme Arbeitsbeziehung" mit Journalisten haben. In seinem jüngsten Facebook-Post kehrte Fico jedoch zu seinen alten Methoden zurück. Er kritisierte die großen Medien für ihre Berichterstattung über "Homosexuelle und drei Gender-Toiletten" und lobte "alternative" Medien.

Quelle: Euractiv

 

Fake News in sozialen Medien: EU ermittelt erstmals gegen X

Die EU-Kommission hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) eröffnet. Der Grund: Beim Thema Hamas-Angriff auf Israel gehe die Plattform nicht ausreichend gegen Falschinformationen vor, so die Kritik von EU-Industriekommissar Thierry Breton. Es ist das erste Verfahren, das die EU-Kommission seit Verabschiedung verschärfter europäischer Digital-Gesetze einleitet.

Die Kommission habe als ersten Ermittlungsschritt bei X Informationen angefordert, so Breton. Das Unternehmen wollte sich zu diesem Thema zunächst nicht äußern. Eigentümer Elon Musk monierte allerdings in einem Tweet, dass die EU noch keine Beispiele für Desinformationen gegeben habe.

Falschinformationen (Fake News) haben laut Forschern seit Ausbruch der Kämpfe in Israel in den sozialen Medien stark zugenommen - etwa auf X, TikTok und den Meta-Diensten Facebook und Instagram. Auf X scheine dieses Phänomen allerdings am weitesten verbreitet zu sein.

Meta teilte inzwischen mit, einen Krisenstab eingerichtet zu haben, der rund um die Uhr Beiträge auf der Plattform überwache. Außerdem arbeite der US-Konzern mit externen Experten zusammen, um Fakten zu prüfen. Zwischen dem 7. und dem 10. Oktober seien mehr als 795.000 Beiträge gelöscht worden. Rügen von EU-Industriekommissar Thierry Breton hat es in den vergangenen Tagen auch für die Facebook-Mutter Meta sowie die Kurzvideo-Plattform TikTok gegeben.

Quelle: BR 24

 

Springer-Chef Mathias Döpfner startet mit "Politico" in Deutschland durch

Seit mehr als zwei Jahren gehört das US-Newsportal "Politico" zum Axel Springer Konzern. Jetzt mischt Springer-Chef Mathias Döpfner mit der Medienmarke den Markt für Politik-Journalismus in Deutschland auf und launcht ab 2024 einen täglichen Newsletter in Berlin. Redaktionell verantwortlich hierfür wird Gordon Repinski, der als Vize-Chef bei "The Pioneer" von Ex-Spiegel-Journalist Gabor Steingart zum Jahresende ausscheidet. Er werde ein Team leiten, das einen täglichen Newsletter für die US-Medienmarke "Politico" in Deutschland herausgeben soll. Der Name des neuen Angebots: "Berlin Playbook".

Bereits im Sommer gab der Springer-Chef Mathias Döpfner die weitere Expansion von "Politico" nach Deutschland bekannt. "Mit Politico Deutschland bringen wir eine unserer wichtigsten journalistischen Marken in den Heimatmarkt von Axel Springer", sagte der Vorstandschef damals. Er will das Berliner Verlagshaus zum Marktführer im digitalen Journalismus ausbauen.

General Manager von "Politico" in Deutschland werde Cecil von Busse. Er soll den Markteintritt "sowie alle folgenden Schritte im Aufbau von  Politico" in  Deutschland verantworten. Von Busse kommt von "Insider", wo er in New York als Head of Markets Insider tätig war. Er berichtet an Nicolas Sennegon, Managing Director von "Politico" in  Europa.

Damit expandiert die bislang vor allem in den USA bekannte Medienmarke weiter in Europa. Die Journalisten berichten hier vor allem über Politikthemen in Newsletter-Form. Zum Hintergrund: Axel Springer war 2021 bei der digitalen Medienmarke eingestiegen. Das war die größte Unternehmensübernahme in der langjährigen Firmengeschichte von Axel Springer. "Politico" beschäftigt mehr als 1100 Mitarbeiter in Nordeuropa und Europa.

Mit Repinski geht ein weiterer Top-Journalist bei "The Pioneer" von Bord. So scheidet auch Michael Bröcker, bisher Chefredakteur der Online-Plattform, aus. Er wird zum 1. Januar Chefredakteur von "Table Media", das der langjährige "Tagesspiegel"-Herausgeber Sebastian Turner gegründet hat.

Quelle: Media

 

Framing in Italien schlägt fehl

"Es hätte schlimmer kommen können" - so lautete nicht nur der Titel eines Features bei Deutschlandfunk Kultur zum ersten Jahr von Giorgia Meloni als Regierungschefin in Italien. Es hätte schlimmer kommen können - das war auch insgesamt der Tenor vieler Analysen zu diesem Jubiläum. Meloni - die erste Frau und zugleich die erste selbsterklärte "Postfaschistin" in diesem Amt ist - wurde in den vergangenen Wochen in vielen Medien attestiert, sich im ersten Jahr ihrer Amtszeit weitaus gemäßigter gezeigt zu haben als erwartet. Nach dem Motto: Alles halb so wild mit den Faschisten.

Diese Meinung vertritt im Deutschlandfunk Kultur etwa Nino Galetti, der in Rom das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung leitet. "Die gefährlichste Frau Europas" (wie der "Stern" vor der Wahl titelte) sei Meloni keinesfalls, so Galetti. Die Bilanz ihres ersten Regierungsjahres sei "erstaunlich positiv". Sowohl haushalts- als auch außenpolitisch habe sie sich "äußert gemäßigt" gezeigt und die Erwartungen der EU-Partner voll erfüllt.

So sieht es auch der "Economist", der in seinem großen Stück über Europas Rechte schreibt, Meloni habe bisher eine "ziemlich konventionelle Regierung" geführt. Sie sei fiskalpolitisch ohnehin limitiert - und Melonis Partei, die "Brüder Italiens" (Fratelli d'Italia - FdI) eine "pragmatische Mitte-Rechts-Partei". Nur ein paar "identitäre Kulturkämpfe" führe man noch, meint Professor Giovanni Orsina von der römischen Privat-Uni LUISS. Dazu gehörte unter anderem im März die Abschaffung der Möglichkeit von homosexuellen Paaren, sich beide als sorgeberechtigte Eltern ihrer Kinder einzutragen.

Der Rückblick der Deutschen Presseagentur dpa fällt ähnlich wohlwollend aus: "Gekommen um zu bleiben" heißt es im Titel des Artikels, der Meloni als "eine feste Größe" in Europa bezeichnet, die dabei eine "bella figura" mache. Die Regierungschefin wird als hart arbeitende Frau porträtiert, die sich manchmal eine Auszeit wünsche, um sich mehr um ihre siebenjährige Tochter zu kümmern.

Im "Ersten" tourt derweil Ingo Zamperoni durch "Mein Italien unter Meloni". Selbst die kritischeren Stimmen des Films verlieren sich in sonnendurchfluteten Bildern, etwa wenn die Mitarbeiterin eines Kinderhilfswerks für unbegleitete Flüchtlinge im sizilianischen Catania sagt, die Abschottungspolitik der neuen Regierung unterscheide sich gar nicht so stark von der alten und das sei ja mittlerweile eh die mehrheitliche Haltung in Europa. Zwischen Boccia-spielenden Rentnern am Strand und unbesorgten Journalisten in Rom denkt man unwillkürlich wieder: Es hätte schlimmer kommen können.

Quelle: t-online, dpa, Übermedien

 

Mitgliederversammlung und Weihnachtsessen

Die wichtigste Veranstaltung der VEJ steht vor der Türe. Bitte unbedingt vormerken!

Der Vorstand lädt alle Mitglieder zur Mitgliederversammlung am 24. November 2023 um 17:00 Uhr beim Bund der Steuerzahler in Bayern, Nymphenburger Straße 118, (IV. OG), 80636 München , (Eingang über Alfonsstraße)

Selbstverständlich ergeht noch eine gesonderte persönlich Einladung mit der Tagesordnung.

Wie immer bemüht sich der Vorstand einen interessanten Referenten als Gast zu gewinnen.

Danach Weihnachtsessen gegen 20.00 Uhr: Ristorante Il Galeone, Nymphenburger Str. 128, 80636 München

 

Rückblick

Zu ihrem traditionellem Mediendialog hatte die VEJ in den Bayerischen Hof geladen. Trotz Grippewelle nahmen fast 70 Mitglieder und Freunde unseres Verbandes an der Veranstaltung teil.

Stargast war ohne Zweifel unser renommierter Kollege Roland Tichy, der über den Strukturwandel der Öffentlichkeit und das Versagen der Medien dabei, referierte.

Vor Jahrzehnten wurden die Zeitungen schnell zum zentralen Mittel der Kommunikation, wodurch eine Öffentlichkeit der aufgeklärten Bürger entstanden sei. Tichy erläuterte, dass es sich bei Zeitungen strukturell gesehen um Märkte ohne große Konkurrenz handle. Zeitungen waren und sind eine Art natürliche Monopole, da für die Gründung einer Zeitung enorm viel Kapital benötigt wurde und noch immer wird. Doch die Auflagen der Tageszeitungen sinken stetig, da diese in Konkurrenz mit anderen Medien (Internet und Fernsehen) stünden. Demnach befinden wir uns in einer Zeit, in der es eine Vielzahl von Kanälen gebe.

Dieser führte dazu, dass die Menschen über ein neues Massenmedium - nämlich Smartphones - verfügen, mit dem sie eigene Nachrichten kostengünstig produzieren und über ein Netzwerk (bspw. Facebook, Twitter) unkontrolliert austauschen können. Diese dezentrale Form der Kommunikation habe zur Folge, dass sich die Macht des einstigen Gatekeepers, nämlich der Journalisten auflöse.

Durch die Vielzahl der Informationen, so Tichy, können Unwahrheiten und Lügen relativ schnell aufgedeckt werden. Unter anderem durch seine publizistische Arbeit. Und wir werden belogen, von der Politik und auch von Medien, so sein Fazit.

Europaabgeordneter Lukas Mandl aus Österreich bekräftigte in seinem Vortrag, dass man unbedingt die Fakten als Richtschnur jeder Veröffentlichung prüfen müsse. Er plädierte für eine kritische Auseinandersetzung mit Messenger-Diensten, weil dort Desinformation, Manipulation und Hassreden überdimensional das Bild beherrschen. Auf die Nachfrage, wer den die Fakten liefere, antwortet Mandl, dass dies die Politik leiste. Dem widersprach Tichy eindringlich. Politiker seien nicht die Wahrer der Fakten, sondern eher das Gegenteil.

Manon Struck-Pacyna, vom Lebensmittelverband Deutschland schilderte den Kampf der Ernährungsbranche gegen die Bevormundungsstrategien des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir. Was Özdemir mit Werbeverboten genau plane, ist nicht leicht zu beantworten. Denn es kursieren etliche Vorentwürfe. Dass er es noch nicht mal bis zum Kabinett geschafft hat, zeigt, dass seine lautstark verkündeten Pläne der nächste Koalitionsstreitpunkt sein werden.

Der Gesetzentwurf sei eine Mogelpackung - und das beginnt schon beim Titel "Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz". Mitnichten geht es nämlich um Werbeverbote "nur" für Kinder-Süßigkeiten, Kinder-Joghurts oder Kinder-Zerealien. Von Werbeverboten betroffen sind alle Lebensmittel, die bestimmte Grenzwerte für Fett, Zucker oder Salz überschreiten. Also auch die Salzbrezel und der Kuchen vom Bäcker nebenan.

Allerdings seien diverse NGO's und Medien erstmal auf den Zug aufgesprungen. Die Ernährungsbranche musste argumentativ und auch mit spektakulären Aktionen alles aufbieten, um sich überhaupt Gehör zu verschaffen. Diese Auseinandersetzung sei ja noch nicht abgeschlossen.

Nach den Vorträgen und einer angeregten Diskussion mit dem Auditorium lud die VEJ zu einem Empfang, um die Kommunikation unter den Mitgliedern in angenehmer Weise zu initiieren und zu fördern.

 

Unter dem Titel "Europa zwischen Krieg und Wahlen"

fand der diesjährige Kongress unserer Dachorganisation EJ in Nizza statt. Im altehrwürdigen Gebäude des Centré Universitaire Méditerranéenne sprachen unter anderem das ehemalige Mitglied des Council of Europe Ivan Koedjikov und Rechtsanwalt Joan Barat Mir, der die europäischen Richtlinien für Internet-Portale auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der journalistischen Arbeit ins Visier nahm.

Leider war die Teilnehmerzahl mit rund 30 Journalisten in Präsenz sehr gering. Die vielen Videoschaltungen lassen die Attraktivität einer solchen Veranstaltung ebenfalls spürbar sinken.

Das touristische und landestypische Abend- und Beiprogramm stand in der Tradition vergangener EJ-Kongresse. Aber auch hier musste man Abstriche hinnehmen.

Der anschließenden General Versammlung der EJ fehlten eine organisatorische Struktur, sowie in die Zukunft weisende Inhalte. Die deutsche Sektion, die die Mehrzahl der Anwesenden repräsentierte, übte deshalb auch Kritik und die beiden deutschen Mitglieder der EJ Excom Michael Jäger und Ralf Schneider bekräftigten in Zukunft Modernisierungen in Angriff zu nehmen.
Der nächste EJ Kongress soll Anfang Mai in Brescia (Italien) stattfinden.

GASTKOMMENTAR

Journalisten sind keine Aktivisten

Peter Köpf, 62, ist Journalist und Autor mehrerer Biografien sowie politischer Sachbücher. In seinem neuen Buch WOKE - WIE EINE MORALISIERENDE MINDERHEIT UNSERE DEMOKRATIE BEDROHT macht er sich Gedanken über unsere bedrohte Staatsform. Aktivisten der WOKENESS haben ihren Marsch durch die Institutionen angetreten und verändern die Regeln in Hochschulen, Verwaltung, Medien und Parteien. Im Kampf für immer mehr angebliche Opfergruppen nötigen sie der Mehrheit neue Regeln auf - ohne demokratische Legitimation. Was die WOKEN für eine egalitäre Politik halten, ist eine elitäre. Wer sich wehrt, wird ausgegrenzt und diffamiert. Quadriga Verlag, 288 Seiten, ISBN: 978-3-86995-133-1, 22.- €

Die New York Times (NYT) hat sich nie lang geziert, dem Zeitgeist Raum zu geben. Schon 1987 hat das Blatt das Wort homosexual gegen das viel vergnüglichere gaygetauscht. Vor zehn Jahren verwandelte Gill Abramson als Chefredakteurin den Old Boys Club in ein "feministisches Paradies" (taz). Zuletzt galt das ehrwürdige Haus als durchaus woke und Sternchen aller Gender überaus gewogen.

Ausgerechnet die New York Times sah sich zu Beginn dieses Jahrs Vorwürfen der Gay and Lesbian Alliance Against Defamation (GLAAD) ausgesetzt, unverantwortlich und voreingenommen über Transgender-Personen zu berichten. Konkret ging es um das Für und Wider geschlechtsverändernder Operationen. GLAAD beklagte "Angstmache" und "böswillige Berichterstattung", die "schädlich für alle LGBTQ-Personen, insbesondere für unsere Jugend" sei. Cisgender-Autoren und -Redakteure der Times seien "nicht in der Lage, Transmenschen und -themen genau zu behandeln". Deshalb empfahlen sie Neueinstellungen: "Lasst es Transmenschen machen." Dass sich dieser Klage eine beträchtliche Gruppe von Mitarbeitern der NYT anschlossen, ist verstörend.

Leider versteht sich auch in Deutschland ein wachsender Teil des journalistischen Nachwuchses als "Aktivist*in". Beschämend, dass eine Journalistin in linken Medien schreiben darf, die twittert: "Grammatik und Rechtschreibregeln sind ein kolonialrassistisches tool von white supremacy um BIPoCs zu unterdrücken don't @ me." Ein Einzelfall? In einem Verlag werden Pflanzen zu "Superheld*innen, die Verdi-Mitgliederzeitung berichtet von Rentenversicherungsträger*innen, RBB-Radioeins von Samenspender:innen, die ZEIT von "Witwerinnen und Witwern". Das lachen wir weg. Aber (Dokumentar-)Filmschaffende von Produzent bis Drehbuchautorin beklagen "Diversity Checklists" und vorauseilenden Gehorsam gegenüber den queeren Kämpfern in den Redaktionen. Das neue Berufsbild "Sensitivity Reader" verändern Buchmanuskripte und Drehbücher.

Selbst schwule Männer wie Florian Greller kritisieren die "Omnipräsenz von queeren Themen" im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Viele Menschen seien "offenbar einfach nur noch genervt davon, dass sie gefühlt permanent damit konfrontiert werden". Für derartige Einschätzungen wird er im Regenbogen als "Nazi" bezeichnet. Dass in den Sendern mit Sternchen und Glottisschlag gegendert wird, missbilligen - je nach Umfrage - zwei Drittel bis drei Viertel der Gebührenzahler. Was die Sprachaktivisten, die von deren Geld leben, nicht im Geringsten beeindruckt. Wenn dann noch Angestellte des ZDF "Ideologie" und "Antifeminismus" erkennen, wenn "Familie als Stütze der Gesellschaft" angesehen wird, dann verabschiedet sich ein Sender von seinen Zuschauern. Wenn auf der Webseite der Tagesschau in einem Beitrag über einen Gesetzentwurf des Familienministeriums die Formulierungen "entbindende Person" und "gebärende Person" erscheinen, dann schüttelt das Publikum den Kopf.

Glaubwürdig ist nicht, was ZDF-Chefredakteur Peter Frey gegenüber der Deutschen Presse-Agentur behauptet: "Was uns unterstellt wird, nämlich dass wir in erzieherischer Absicht auf das Publikum einwirken, entspricht überhaupt nicht der Wirklichkeit." Dann ist es eben eine Kapitulation - vor einer aktivistischen Minderheit und deren Wortgewalt in den sogenannten sozialen Medien. Vor allem jüngere Frauen hätten "nach der Uni selbstverständlich ihre Sprechweise hier eingebracht", sagte Frey bedauernd. "Ich fühle mich damit auch nicht wohl. Aber sollte ich das verbieten?"

Warum eigentlich nicht? Es hätte aber auch genügt, auf die deutschen Rechtschreibregeln hinzuweisen, denen gerade Journalisten verpflichtet sein sollten - wie auch alle, die derzeit in Verwaltungen, Hochschulen und anderen staatlichen Einrichtungen glauben, den Sexismus abschaffen zu können, indem sie die Sprache in einer Waschmaschine schleudern.

Dass auch die Parteien sich der ideologischen Identitätspolitik verpflichtet fühlen, hat Folgen. Wenn selbst die Unionsparteien für Queer-Beauftragte votieren (Koalitionsvertrag Berlin) und einen "Queer-Aktionsplan" (Söder) für nötig halten, verprellen sie ihre Wählerschaft. Die Wahlerfolge der AfD sind nicht allein der Migration geschuldet.

In der NYT erinnerten Chefredakteur Joe Kahn und die Leiterin des Meinungsressorts Katie Kingsbury die Kritiker aus dem Haus, dass die ethischen Richtlinien des Hauses es Mitarbeitern untersagen, sich mit Interessengruppen zu verbünden. Auch unter deutschen Journalisten wäre es hilfreich, wenn sie anerkennten: Journalisten haben andere Aufgaben als Aktivisten.

TERMINE

Journalistentag 2023, 25. November, 11- 17 Uhr

"So schön neu!? Journalismus, next Level" in Dortmund auf dem Gelände der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen am Phoenix-See Hörder Burgplatz 1, 44263 Dortmund Hunderte Kollegen werden über die aktuellen Entwicklungen unserer Branche diskutieren. Podiumsgäste sind Prominente aus Medien, Wissenschaft und Forschung. www.journalistentag.de

Anmeldung:

Medienforum Mittweida, 29. NOVEMBER 2023 bis 30. NOVEMBER 2023, 10:00 Uhr

Einmal im Jahr verwandelt sich das Zentrum für Medien und Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida in einen der größten von Studierenden organisierten Medienfachkongress. An zwei spannenden Kongresstagen werden Keynotes und Talks von nationalen sowie internationalen Speakern direkt vor Ort oder über eine digitale Zuschalte gehalten.

Anmeldung: Hochschule Mittweida, Technikumpl. 17, 09648 Mittweida

MedienAkademie 2023 der Friedrich-Eberth-Stiftung

Donnerstag, 16.11.2023, ab 15.00 Uhr bis Freitag 17.11.2023, 17.00 Uhr

taz Kantine, Friedrichstraße 21, 10969 Berlin Teilnahmepauschale: 50,00 Euro regulär (inkl. Übernachtung & Verpflegung) "Journalismus im Zeitalter Künstlicher Intelligenz: Arbeitsbedingungen, Fachkräftemangel und Angriffe auf unsere Demokratie" Ansprechpartnerin: Lisa-Marie Rückwardt, journalistenakademie@fes.de

Anmeldung:

Der Europäische Pressepreis 2024 ist zur Teilnahme eröffnet

Für den European Press Prize, die Auszeichnung für herausragende Leistungen im europäischen Journalismus, können noch bis zum 15. Dezember 2023 Beiträge eingereicht werden. Journalisten aus allen 46 Ländern des Europarates sowie aus Weißrussland und Russland sind eingeladen, ihre besten im Europarat produzierten Arbeiten vorzustellen vergangenes Jahr. Sie haben die Möglichkeit, Preisträger zu werden und Preise im Wert von 10.000 Euro zu gewinnen. Die eingereichten Arbeiten müssen ein Veröffentlichungsdatum zwischen dem 1. Dezember 2022 und dem 31. Dezember 2023 haben.
Der Europäische Pressepreis wird in fünf Kategorien verliehen: Distinguished Reporting, Innovation, Investigative Reporting, Migrationsjournalismus und öffentlicher Diskurs. Die Jury vergibt außerdem einen Sonderpreis für exzellenten Journalismus, der sich über Kategorien und Disziplinen hinwegsetzt.
Es werden nur Beiträge mit bis zu 5.000 Wörtern akzeptiert und diejenigen, die in die engere Wahl kommen, werden ins Englische übersetzt, damit sie ein noch größeres Publikum erreichen können.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Bewerbung finden Sie unter

Bewerbung:

 

DER HAMMER DES QUARTALS

ZDF-Clown Böhmermann als Exekutor der Bundesinnenministerin

Der Fall des geschassten Chefs des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm ist ohne Zweifel medial und politisch der Hammer des letzten Quartals.

Nach einem Bericht in Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" hatte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Arne Schönbohm im Oktober 2022 in die Leitung der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung versetzt.

Dem damaligen BSI-Chef wurde in der ZDF-Sendung "Magazin Royale" vom 7. Oktober 2022 vorgeworfen, er habe Kontakt zu dem Lobbyverein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland (CSRD). Der Verein wiederum stehe in Verbindung mit russischen Geheimdiensten. Vor seiner Zeit als BSI-Präsident hatte Schönbohm den CSRD mitgegründet. Moderator Jan Böhmermann sprach in der Sendung von einem "Leck in unserer kritischen Infrastruktur". So sei das größte Sicherheitsrisiko immer noch der Mensch. "Menschen, die auf Posten sitzen, wo sie nicht hingehören." Gemeint war damals wohl Arne Schönbohm.

Die Sendung und die folgende Berichterstattung führten nur wenige Tage nach der Ausstrahlung schließlich zur Absetzung des Spitzenbeamten.

Das Ministerium rechtfertigte den Schritt damit, dass das "notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt" sei. Das BSI ist unter anderem für den Schutz der Netze des Bundes und für die Warnung vor Sicherheitslücken in IT-Produkten zuständig. Doch schnell zeigte sich, dass die Hetzkampagne auf Lügen aufgebaut war.

Böhmermann hat noch vor der Ausstrahlung der Sendung mehrfach mit Vertretern des Innenministeriums telefoniert. Die Bundesregierung bestätigte dies nach einer parlamentarischen Anfrage der AfD. Die Antworten legen den Verdacht nahe, dass Mitarbeiter des Innenministeriums bewusst Jan Böhmermann bei seiner Recherche unterstützten und Schönbohm schaden wollten. Böhmermann hatte demnach mehrfach Kontakt zu Juliane Seifert, die erst im Familienministerium, dann im Innenministerium als Staatssekretärin arbeitete. Angeblich ging es bei den Telefonaten um das Thema "Hass im Netz". Doch dafür soll Seifert nach ihrem Wechsel ins Bundesinnenministerium (BMI) wohl nicht mehr zuständig gewesen sein.

Boris Reitschuster, prominenter Kritiker öffentlich-rechtlicher Medienmachenschaften zeigt sich erstaunt, was Böhmermann bewirken kann. In Russland nennt man Menschen wie ihn "TV-Killer". Weil sie via Bildschirm Lebensläufe und Karrieren zerstören können. In Deutschland muss das jeder mitfinanzieren - dank Zwangsgebühren. Reitschuster weiter zu Böhmermann: "In der Jelzin-Zeit in Russland haben sich steinreiche Oligarchen Journalisten gehalten wie bissige Kettenhunde, die sie dann bei Bedarf auf unliebsame Politiker oder Konkurrenten losließen."

Dabei gab es nach Recherchen des "Business Insider" schon früh Zweifel an diesen Vorwürfen. "Das Innenministerium sei nach sechsmonatigen behördeninternen Voruntersuchungen zu dem Schluss gekommen, die Vorwürfe seien haltlos", schreibt die "Welt": "Das Innenministerium habe den Fehler Ende April in einem Schreiben an Schönbohms Anwälte eingeräumt, heißt es mit Verweis auf Angaben aus Regierungskreisen. Ein Disziplinarverfahren werde daher nicht eingeleitet." Schönbohms Anwälte mussten mehrfach um Schreiben bitten, heißt es in dem Bericht.

Innenministerin Nancy Faeser ist demzufolge bereits vor Monaten gewarnt worden, "sie habe vorschnell gehandelt und Schönbohms Ansehen geschadet". Schönbohm selbst bestreitet die Anschuldigungen gegen sich bis heute und fordert Schadensersatz für den ZDF-Bericht. Moderator Jan Böhmermann und dem redaktionell verantwortlichen ZDF wirft er unwahre Behauptungen vor und fordert wegen Rufschädigung eine finanzielle Entschädigung von 100.000 Euro.

Als bereits klar war, dass gegen Arne Schönbohm nichts vorliegt, hat laut einer "Bild"-Recherche Nancy Faser intern aber noch einmal beim Bundesamt für Verfassungsschutz um eine Abfrage zu Schönbohm gebeten.

Die CDU warf der Bundesinnenministerin vor, den Verfassungsschutz zu instrumentalisieren. Faeser hat dies zurückgewiesen. Es habe von ihr "keinerlei nachrichtendienstliche Abfragen" gegeben.

Am 20. September wurde Faeser vom Innenausschuss befragt, nachdem sie sich vorher für zwei Sitzungen krankgemeldet bzw. durch eine Parlamentarische Staatssekretärin vertreten ließ. Die Ministerin sagte vor dem Ausschuss, es habe schon vor ihrer Ernennung Beanstandungen an Schönbohm durch die Fachaufsicht des Innenministeriums gegeben. Details nannte sie nicht.

Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor kritisierte noch vor der Sitzung des Innenausschusses, die SPD-Politikerin habe bislang viele Fragen widersprüchlich oder unvollständig beantwortet. So sei immer noch unklar, auf welcher Faktengrundlage Schönbohm abberufen wurde. Bei der umstrittenen angeblichen Verfassungsschutzabfrage gehe es auch um Faesers Fürsorgepflicht für Spitzenbeamte. Außerdem sei ihr Nichterscheinen bei der vorherigen Innenausschusssitzung eine "Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament". 

In die Enge getrieben, wollte sich Feaser mit einem Interview in der BILD-Zeitung reinwaschen. Doch das geht nach hinten los. Denn interne Vermerke beweisen: Faeser hat nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ihr Interview mit der "Bild" wird für Faeser zum Fiasko:

Vergleicht man ihre Aussagen mit den Dokumenten um den Rauswurf Schönbohms, so tun sich eklatante Wahrheitslücken auf.

Im Interview hatte Faeser behauptet, die Ablösung habe nichts mit der Böhmermann-Story zu tun gehabt. Vielmehr sei es um das Vertrauen in das BSI generell gegangen. In dem Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte an Schönbohm vom 18. Oktober 2022 liest sich das allerdings ganz anders.

Ein Ausschnitt aus einem internen Dokument belegt: Faeser hat bei der Begründung von Schönbohms Rauswurf gelogen. Punkt 1 behandelt ausführlich die Vorwürfe Böhmermanns. Im Vorspann heißt es: "Aufgrund der aktuellen Vorwürfe gegen Sie in ihrer Funktion als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, die nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung 'ZDF Magazin Royale' vom 7. Oktober verbreitet wurden, ist in der Öffentlichkeit das Vertrauen in Amtsführung nachhaltig beschädigt."

Und weiter heißt es: "Unabhängig davon, wie stichhaltig diese sind und ob dieses sich im Ergebnis als zutreffend erweisen, ist in der öffentlichen Meinung ein Vertrauensverlust eingetreten, der eine weitere Amtsführung unmöglich macht und die Aufgabenerfüllung im BSI."

Gerade in der aktuellen Sicherheitslage einer hybriden Kriegsführung Russlands müsse das BSI und seine Amtsleitung über jeden Zweifel "hinsichtlich kompromittierender Beziehungen zu Russland und nahestehender Kreise" erhaben sein", hieß es in dem Ministeriumsbescheid.

Wie passen diese Sätze zu den Aussagen der Bundesinnenministerin? So bekundete Faeser im Interview, man habe lange und sorgfältig den Fall geprüft. Dabei wurde Schönbohm bereits eine Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe abgesetzt. Die Nachforschungen in der Causa waren da längst noch nicht abgeschlossen.

Normalerweise müssen vordisziplinarische Untersuchungen binnen drei Monaten zu einem Ergebnis führen. Doch im Fall Schönbohm ließ sich die Dienstherrin Zeit. Laut den Akten war im Januar 2023 schon klar, dass keine Amtsverstöße vorlagen.

Dennoch gingen nochmals zwei Monate ins Land, ehe Faeser die Verfassungsschützer zum zweiten Mal einschaltete. Was danach geschah, bleibt im Dunkeln. Die Ministerin betonte, dass Schönbohm nicht durch den Inlandsgeheimdienst ausgeforscht worden sei.

Ministerin Faeser hält indes an ihrer Linie fest: Alles gut gelaufen. "Ich habe das BSI neu aufgestellt und gestärkt", so ihre Devise. Dabei verschwieg sie wohlweislich, wie alle ihre sonstigen sechs Punkte für ein Fehlverhalten Schönbohms in ihrer Verbotsverfügung in sich zusammenfielen. So rügte die Ministerin etwa die "ausufernde Pressearbeit des BSI".

Das Magazin FOCUS online fragte daraufhin das Ministerium ausdrücklich zu dem Bescheid und wie die öffentliche Darstellung (fehlendes Vertrauen) zusammenpasst mit den Begründungen in dem Bescheid (Vorwürfe des ZDF) und ob die Ministerin nicht gelogen habe. Ein Sprecher des Ministeriums teilte mit, dass man diese "Unterstellung" zurückweise. Denn auch in dem Interview mit der "Bild" habe Faeser auf das fehlende Vertrauen hingewiesen. Sprich: Das Ministerium antwortet schlicht nicht auf den entscheidenden Punkt und auf den Widerspruch. Minister denen man nachweisen kann, dass sie mehrfach gelogen haben, sollten die Konsequenzen ziehen.